Das Reservoir für Schönheit

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Imagine

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Wir können mehr herstellen, als wir uns vorstellen können – das ist noch einmal, natürlich, Günther Anders, und auf dieses von ihm so bezeichnete »prometheische Gefälle« werden wir noch zu sprechen kommen. Heute aber möchte ich nur auf den verblüffenden Umstand hinweisen, dass der US-amerikanische Fotograph und Grafikkünstler Chris Jordan in seiner Arbeit aufs Genaueste die verhängnisvolle Doppelnatur des Menschen, die Anders beschreibt, anschaulich macht – indem er an einer Abbildung des Herstellens scheitert und in dem Versuch, seinen Gegenstand doch noch irgendwie einzuholen, gezwungen ist, von der Fotographie zu einer Werkform überzugehen, welche der Sache näher kommt, zugleich aber die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung sprengt.

Für seine Fotoserie »Intolerable Beauty: Portraits of American Mass Consumption« trieb sich Jordan auf Müllhalden herum, um die schieren Massen verbrauchter Güter, die in der modernen Gesellschaft anfallen, zu dokumentieren.

[All this waste] is something that’s sort of kept hidden, so Jordan. Er berichtet von ganz praktischen Problemen, auf die er beim Fotographieren stieß, da er sich für eine Schattenseite unserer Kultur interessierte, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist.

I also felt like I aged about five years during this series. Virtually all the photos…required that I trespass. I’d go ask [for permission to photograph these piles of waste] but I’d get all these vague excuses: Homeland Security, insurance regulations…. I think it was really a weird fear about photography and exposure [even though] I offered veto [power], showed them my previous work, and explained I didn’t name individuals or companies. This was about [documenting] a nationwide, cultural phenomenon.

Und zu diesen praktischen kamen künstlerische Probleme. Der Auswurf des Massenkonsums erwies sich als zu maßlos, um ihn auf ein Foto oder auch mehrere Fotos zu bekommen.

Initially, I thought I was seeing the scale [but] in the end, I realized this was the tiny tip of the iceberg. (…) It was interesting to see the limitations of this series and the photos. [Mass consumption is an] invisible phenomenon– there’s no one place I can go to capture it all.

Also wandte er sich der Montagetechnik zu, um der Darstellung des Ganzen näherzukommen. Das Ergebnis sind die Serien »Running the Numbers« und »Running the Numbers II«. Im Internet lässt sich der Inhalt dieser Montagen nur darstellen, indem immer kleinere Bildausschnitte in immer höheren Zoomfaktoren gezeigt werden. Ein Bild zeigt dann etwa 28 000 Ölfässer, die der Ölmenge entsprechen, die in den USA in zwei Minuten verbraucht wird. Eines zeigt 100 Millionen Zahnstocher, um die Anzahl von Bäumen zu veranschaulichen, die in den USA jährlich für die Produktion von Werbewurfsendungen fallen müssen. Und eines zeigt 320 000 Glühbirnen als Metapher für die Kilowattstunden Strom, die minütlich verschwendet werden.

Doch was diese Bilder zeigen, sind immer Einheiten pro Zeitintervall, und manchmal ist dieses Zeitintervall nur ein Augenblick. Mehr als die Spitze des Eisbergs sehen wir immer noch nicht.

Written by Sebastian

22. Juli 2009 at 20:08

Veröffentlicht in Dokumentation, Fatigue, Fotografie, Gaia, Grafik